Doulas im Kreißsaal – Notwendige Ergänzung, keine Bedrohung
Ein Beitrag von Anita Wallow, Hebamme & Ausbilderin an der Doula Akademie
Der Meinungsartikel „Eine Doula bei der Geburt im Kreißsaal? Bitte nicht!“, kürzlich erschienen in der Neuen Osnabrücker Zeitung, zeichnet ein einseitiges, verzerrtes Bild eines Berufsstandes, der in der geburtshilflichen Versorgung seit Jahren einen wertvollen Beitrag leistet. Was als Kritik formuliert ist, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als persönliche Abrechnung mit einer Rolle, die offenkundig weder im Wesen noch im Wirkungsspektrum verstanden wurde. Als Hebamme, selbst viele Jahre als Doula tätig gewesen und heute in der Ausbildung künftiger Doulas engagiert, kann ich eine solche Darstellung nicht unkommentiert lassen.
Es ist auffällig, wie in dem Beitrag mit pauschalen Unterstellungen gearbeitet wird, ohne dass fundierte Recherche oder auch nur ein Mindestmaß an wissenschaftlicher Auseinandersetzung zu erkennen wäre. Stattdessen dominieren Einzelfallbeobachtungen, subjektive Empörung und ein alarmierender Grundton, der nicht dazu beiträgt, geburtshilfliche Versorgung kritisch und konstruktiv zu hinterfragen, sondern vielmehr Ängste schürt und Fronten aufbaut. Gerade in einer Zeit, in der Frauen zunehmend nach selbstbestimmten Geburten suchen, erscheint mir diese Haltung nicht nur rückwärtsgewandt, sondern auch frauenfeindlich.
Emotionale Ausbeute?
Zentraler Vorwurf des Artikels ist, Doulas würden die emotionale Ausnahmesituation einer Geburt instrumentalisieren, um sich Einfluss oder gar Macht über die Gebärende zu verschaffen. Eine schwerwiegende Behauptung, die weder belegt wird noch irgendeinen Anspruch auf Differenzierung erkennen lässt. Nähe, Vertrauen und Kontinuität werden hier unter Generalverdacht gestellt – und damit exakt jene Faktoren diffamiert, die laut internationaler Studienlage nachweislich zur Verbesserung von Geburtserfahrungen beitragen. Die große Cochrane-Analyse von 2017, die über 15.000 Geburten in verschiedenen Ländern untersucht hat, kommt zu eindeutigen Ergebnissen: Frauen, die kontinuierlich von einer nicht-medizinischen Vertrauensperson begleitet wurden – also einer Doula –, hatten signifikant weniger Kaiserschnitte, benötigten seltener Schmerzmittel, gebaren häufiger spontan und berichteten seltener von negativen Geburtserlebnissen. Dies sind keine Meinungen, sondern empirisch gesicherte Erkenntnisse – und sie verdienen es, in jeder ernsthaften Debatte berücksichtigt zu werden.
Was Doulas leisten, ist keine medizinische Betreuung und keine therapeutische Intervention, sondern eine kontinuierliche, einfühlsame und strukturell oft fehlende emotionale Präsenz. Sie ersetzen keine Hebamme, sie konkurrieren nicht mit ärztlichem Fachpersonal, und sie treffen keine Entscheidungen über geburtshilfliche Maßnahmen. Ihr Wirken entfaltet sich im Raum dazwischen – dort, wo Gebärende Halt, Sicherheit und Würde erfahren. Dass dies gelegentlich als „zu nah“, „zu präsent“ oder gar „einmischend“ wahrgenommen wird, ist weniger ein Problem der Doula-Rolle selbst als vielmehr Ausdruck systemischer Spannungen, unter denen Geburten heute oft stattfinden.
Ausnahmen bestätigen die Regel
Selbstverständlich existieren – wie in jedem Feld – auch in der Doula-Szene Grenzüberschreitungen. Es gibt Einzelne, die sich außerhalb ihres Kompetenzbereichs bewegen, medizinische Entscheidungen kommentieren oder sich nicht respektvoll gegenüber Hebammen und Ärzt:innen verhalten. Diese Fälle sind real und sie sind ernst zu nehmen. Sie stellen jedoch Ausnahmen dar – keine Regel. In der Ausbildung unserer Akademie legen wir großen Wert auf ein klares Rollenverständnis, auf ethische Reflexion, auf Zusammenarbeit mit dem medizinischen Fachpersonal. Wer sich diesem Selbstverständnis entzieht, hat in der professionellen Doula-Arbeit keinen Platz. Doch aus vereinzeltem Fehlverhalten ein generelles Misstrauen abzuleiten, ist sachlich unbegründet und strukturell gefährlich.
Gerade als Hebamme weiß ich, wie sehr wir unter der zunehmenden Arbeitsverdichtung, Personalknappheit und Technisierung des Kreißsaals leiden. Der Anspruch, bei einer Geburt ganzheitlich präsent zu sein – körperlich wie emotional –, lässt sich unter heutigen Bedingungen häufig nicht erfüllen. Hier kann eine qualifizierte Doula sinnvolle Ergänzung sein: nicht im Sinne einer medizinischen Doppelung, sondern als empathische Konstante, die die Frau durchgängig begleitet und unterstützt. Dies geschieht im Übrigen stets auf ausdrücklichen Wunsch der Gebärenden, nicht durch Übergriffigkeit oder Manipulation. Das zu unterstellen, entzieht Frauen die Fähigkeit zur autonomen Entscheidung – und steht im krassen Widerspruch zu modernen, feministischen Ansätzen der Geburtsbegleitung.
Die Deutsche Hebammen Zeitschrift formuliert es treffend: „Können Hebammen und Doulas harmonisch zusammenarbeiten, profitieren vor allem die Frauen – durch mehr Sicherheit, mehr Würde und eine respektvolle Geburtserfahrung.“ Diese Haltung teile ich uneingeschränkt. Es geht nicht um Konkurrenz, sondern um Komplementarität. Nicht um Einflussnahme, sondern um Ermöglichung. Und nicht um Ideologie, sondern um Praxis: um die konkrete Verbesserung der Situation von Frauen unter der Geburt – durch menschliche Nähe, professionelle Haltung und respektvolles Miteinander.
Und dieses respektvolle Miteinander wäre in alle Richtungen wünschenswert. Diese Art von Artikeln, die vor allem Emotionen aufwerfen sollen, tragen in keiner Art und Weise dazu bei, dass ein Miteinander gefördert wird.
Wir können es alle selber besser tun. Und wer unsere Ausbildung kennt, weiß, dass die Doulas von uns wertschätzend und Grenzen bewahrend auftreten.
Weiterführende Lektüre
- Cochrane Review „Continuous support for women during childbirth“ (2017)
- DHZ: Doulas als emotionale Partnerinnen – nicht Konkurrenz: https://staudeverlag.de/dhz/